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Yama und Bayen

Hörspiel
Hörspiel

Weit von hier, auf einer Insel weit draussen im Meere, diente Feo als arme Hilfskraft auf einem Hof. Da verliebte sich Feo in Joni. Joni gehörte zum Hofe, bei dem Feo in Diensten war. Und auch weil Joni Feo von Herzen gut war, beschlossen sie, immer füreinander da zu sein. Doch die Familie wollte dies nicht, denn sie hatte bereits jemand anderes, reicheres ausgesucht. Die beiden wollten aber nicht voneinander lassen und so wurden sie schliesslich gemeinsam von Jonis Familie vom Hofe gejagt.

 

Es war aber Winter und draussen lag der Schnee viele Fuss hoch und die Kälte tat bitter weh. Hand in Hand wanderten die beiden in die Welt hinaus. Sie hatten wohl für einige Tage Brot und Käse bei sich, aber das ging bald zu Neige und so litten sie grossen Hunger; Doch nirgends war eine Herberge oder eine Scheune zu sehen, in der sie rasten oder sich etwas wärmen konnten. So stapften sie mühselig viele Tage durch Eis und Schnee. «Wir wollen wieder zu meiner Familie zurück», klagte Joni, «vielleicht werden sie uns aufnehmen, es ist besser, als wenn wir hier vor Hunger und Kälte umkommen.» Doch sie waren schon viel zu weit vom Hofe entfernt und verirrten sich immer mehr. Die Nacht kam wieder und schon glaubten die beiden, es werde für sie nicht mehr Morgen werden. Auf einmal sahen sie von weitem ein Licht vor dem Walde leuchten. Da nahmen sie all ihre Kräfte zusammen und gingen darauf zu und sie sahen, dass dort ein Haus war und dass der Schornstein rauchte. «Hier werden Leute wohnen», dachten sie glücklich. Als sie vor dem Hause standen, fanden sie da eine riesige Türe. Die war geschlossen und so laut sie auch klopften, kein Mensch öffnete ihnen. Da meinte Feo: «Man sieht doch Rauch aus dem Schornstein kommen, es muss also jemand darinnen wohnen.» Sie waren so müde und konnten nicht mehr weiter. «Wir wollen einmal schauen, ob die Tür verschlossen ist», sagte Feo, drehte am Knauf und die Tür ging auf. Aber nichts regte sich im Hause. «Gut», sagte Feo zu Joni, «gehen wir einmal hinein.» Als sie eintraten, riefen sie: «He, niemand da?» Es blieb alles still. Die Stube war warm und es stand ein Topf auf dem Ofen. In dem Ofen war eine wohlschmeckende Suppe und als sie am Tische nachsahen, fanden sie in der Lade ein schönes, frisches Brot. «Ich habe so Hunger», sagte Feo, «wir werden wohl etwas zu essen nehmen dürfen. Wenn die Leute kommen, denen das Haus gehört, so sagen wir, wir waren hungrig, dann werden sie uns nicht schelten.»

Sie holten also den Topf mit der Suppe vom Herde und assen. Es war eine feine Suppe und schmeckte gut! Als sie satt waren, sagte Feo:» Was kann das nur sein? Wo sind denn die Leute, denen das Haus gehört? Weit fort können sie nicht sein, denn sonst hätten sie besser verschlossen.» Joni bekam nun Angst und sagte: «Aber vielleicht wohnt eine Diebesbande hier, die wird noch kommen und dann wird es uns schlecht ergehen.» In der Kammer stand ein schönes, riesengrosses Bett mit feinem Bettzeug darauf. «Ich bin so müde», sagte Feo, «wir wollen uns ins Bett legen.» Nein, nein», wehrte Joni, «wenn die Leute in der Nacht kommen und sehen uns im Bette liegen, dann sind wir verloren. Wir müssen noch eine Zeitlang warten.» Sie sassen also am Tisch und warteten bis Mitternacht. Da hatte Feo das Warten satt und sagte: «Jetzt lege ich mich ins Bett.» Dann gingen sie schlafen und obwohl sie beide noch wach bleiben wollten, um zu warten, schliefen sie vor Müdigkeit bald ein. Am Morgen standen sie auf und gingen zum Haus hinaus. «Man muss in dem Schnee doch Spuren sehen», sagte Feo. Aber es war keine einzige Spur eines menschlichen Wesens zu sehen.

So verging eine gute Zeit und die beiden blieben in dem geheimnisvollen Hause wohnen, ohne dass eine Menschenseele zu ihnen kam. Sie gingen täglich auf die Jagd und fingen Fische, es ging ihnen gut und sie lebten glücklich miteinander. Während dieser Zeit bekamen sie ein Kind, hielten das Haus in Ordnung, als ob es ihnen gehörte, pflanzten ein wenig Gemüse an und so verging der Sommer und der Winter kam wieder mit seinem Eis und Schnee.

 

Eines schönen Abends sassen sie beisammen. Sie hatten zu Nacht gegessen und sannen nun über all das nach, was sie seither erlebt hatten. Gerade sagten sie zueinander: «Es war doch ein grosses Glück, dass wir das Haus fanden.»

Da klopfte plötzlich jemand an die Tür. Sie erschraken. Feo aber Feo ging hinaus und machte die Tür auf. Draussen stand ein Riesenmensch und wollte hereinkommen. Dieser grüsste die beiden freundlich mit den Worten: «Hallo, mein Name ist Yama.» Als Joni Yama erblickte, bekam Joni, vor lauter Angst, kein Wort aus dem Munde. Yama trat ein, setzte sich an den Ofen und sagte: «Dieses Haus, in dem ihr wohnt, gehört mir. Ich will euch meine Geschichte erzählen: Bayen, sehr gross und sehr stark, liebte ich, sowie auch Bayen mich liebte. Aber dort drüben, über dem Berg, wohnt Amal, Amal hasste Bayen, denn Amal wollte mich zu sich haben. Ich aber liebte Bayen mehr als Amal. Als wir aber zusammen lebten, kam Amal in der Nacht und forderte Bayen zum Zweikampf auf. Bayen ging hinaus und die beiden rangen miteinander, aber Bayen unterlag. Da ging ich hinaus, riss einen Baum mit der Wurzel aus und schlug Amal so lange auf den Kopf, bis Amal von Bayen abliess. Als Bayen frei war, warf Amal einen Felsen nach Bayen und rief: «Ich möchte, dass du zu einem Stein würdest!» Sogleich ging der böse Wunsch in Erfüllung und Bayen wurde in einen Stein verwandelt. Unten am Meere könnt ihr den grossen Felsen noch sehen. Das ist Bayen. An einem Tag nur im Jahre, wird Bayen wieder lebendig und kommt zu mir; das dauert bis zum Morgen und dies ist die einzige Freude, die uns noch geblieben ist. Darum bitte ich euch, Morgen das Haus mit vielen grünen Tannenzweigen zu schmücken. Wenn es morgen Nacht zwölf schlägt, werdet ihr ein Schauspiel auf der Insel sehen, wie ihr noch kein schöneres erlebt habt. Denn dann wird Bayen lebendig werden. Bayen wacht über die Erdleute und diese kommen alle zusammen, holen Bayen am Meere ab und kehren zum Haus zurück. Dann freuen wir uns alle miteinander, bis es wieder Morgen wird. Doch wenn die Sonne aufgeht, hat alles Glück ein Ende. Eines muss ich euch aber noch sagen: Ihr dürft nicht schauen, wenn wir im Hause sind, denn dann werden die Erdleute einen Tanz aufführen, ihr werdet Musik hören und sie werden sich vergnügen, bis die Sonne aufgeht.» Da sagten Feo und Joni: «Ja das wollen wir tun.» «Sonst braucht ihr nichts zu tun, nur diese eine Nacht müsst ihr uns in die Stube lassen.» Sprach Yama und ging fort.

 

Der Abend kam. Feo und Joni waren fleissig gewesen und hatten das Haus in Ordnung gebracht und mit vielen grünen Tannenzweigen geschmückt. Als es gegen zehn Uhr ging, kam Yama wieder und sagte: «Geht nun nach oben auf den Heuboden. Von da könnt ihr über die ganze Insel sehen. Doch gebt acht: wenn wir tanzen, dürft ihr nicht ins Zimmer schauen.»

 

Die beiden taten, wie Yama befohlen hatte. Sie gingen auf den Heuboden und schauten hinaus. Als es zwölf war, leuchtete die ganze Insel. Da kamen die Erdleute aus dem Boden heraus und gingen mit Yama Bayen am Meer abholen. Eine Musik fing an zu ertönen, so schön, wie ein Menschenohr sie noch nie gehört hatte. Tausende kleine Erdleute erschienen und alle trugen in der Hand eine Kerze. Sie zogen mit Yama bis an den verzauberten Stein. Dort schlug Yama mit dem Stabe dreimal an den Felsen. Und so oft Yama schlug, riefen die Erdleute: «Komme jetzt, Bayen, komm!» Das hallte wider auf der ganzen Insel. Als aber der dritte Schlag getan war, wurde der Stein lebendig und Bayen stand vor Yama und den Erdleuten. Sogleich befahl Bayen, sich zum Zug zu ordnen. Da fingen die kleinen Erdleute an zu singen. Sie sangen so hell und so schön und Feo und Jonni, die auf dem Dachboden waren, dachten etwas Schöneres hätten sie noch nie gehört und gesehen. Bayen führte Yama am Arm und die Erdleute hatten sich in zwei Gruppen geteilt; die einen gingen voraus, die anderen folgten Bayen und Yama. So näherte sich der seltsame Zug der Hütte.

 

Die Erde zitterte, als Bayen mit Yama und den Erdleuten einherschritten. Wie sie in der Stube angekommen waren, fingen sie zu musizieren und zu tanzen an. Das war seltsam und fröhlich anzuhören. Da sagte Joni: «Ich kann nicht mehr länger hierbleiben. Etwas so Schönes hörte ich noch nie und sah es auch noch nie. Ich muss doch einmal hineinschauen.» Joni nahm das Kind auf den Arm und ging an die Tür. Feo versuchte Joni zurückzuhalten und erinnerte an das Verbot von Yama: «Du darfst nicht schauen, um Himmels willen schau nicht in die Stube.» «Ich muss sie tanzen sehen, sonst sterbe ich vor Verlangen», sagte Joni, ging ans Schlüsselloch und schaute hinein. 

Mit einem Schlage war die Musik verstummt. Das fröhliche Jauchzen und die Freude verwandelten sich in Trauer. Die kleinen Erdleute fingen zu klagen an, die Lichter gingen aus und alles wurde dunkel, wie vorher. Im nu war die Stube leer. Bayen wurde von den Erdleuten bis ans Meer getragen und dort wieder in einen Stein verwandelt.

 

Yama, aber kehrte zum Hause zurück und sprach mit wehmütiger Stimme: «Was habt ihr da getan? Nun ist uns die einzige Freude, die uns noch geblieben war, genommen. Nun ist Bayen zu Stein geworden und muss Stein bleiben, bis in alle Ewigkeit. Ich hätte das Haus, in dem ihr wohnt, samt euch zur Strafe zerdrücken können, wie eine Eierschale. Nur wegen eures Kindes, will ich es nicht tun. Ihr mögt bleiben, solange ihr lebt. Alles Glück war euch zuteil; nie habt ihr das Netz ausgeworfen, ohne einen Fisch zu fangen, niemals einen Pfeil abgeschossen, ohne ein Tier zu treffen, aber nun wird euch das Glück verlassen. Uns werdet ihr nie mehr wiedersehen. Lebt wohl!» So sprach Yama und war verschwunden.

 

Die Beiden blieben zwar mit ihrem Kind noch in der Hütte wohnen, aber sie fingen keinen Fisch und keinen Vogel mehr. Ein Unglück nach dem anderen kam über sie. Des Nachts hörten sie oft die Erdleute an den Stein gehen und dort ihre Klagelieder singen. Schliesslich wanderten sie fort. Wo Feo und Joni aber hingingen, das weiss man nicht.

 

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